Volksstimme vom 13.10.2015 Autor: Oliver Schlicht |
Ausgliederung der Profiabteilung soll finanzielle Schieflage des Vereins verhindern.
Der 1. FC Magdeburg will seinen Profibereich ausgründen. Über die Hintergründe gab es bisher wenig zu erfahren. Das erzeugt Sorgen bei den Fans. Das Problem ist allerdings schwer vermittelbar. Die Struktur des Vereins ist so gestrickt, dass mit dem sportlichen Erfolg auch die Insolvenzgefahr steigt. Magdeburg l Knapp vier Wochen ist es her, da überraschte die Vereinsführung des FCM mit der Mitteilung, dass die Profiabteilung des Drittligisten in die „Stadion- und Sportmarketinggesellschaft“ (SSG) GmbH ausgegliedert werden soll. Geschäftsführer dieser zu 100 Prozent dem Verein gehörenden Gesellschaft soll ab dem 1. Januar der sportliche Leiter, Mario Kallnik, werden. Alle Versuche von Medien, seither die Hintergründe dieser Ausgründung etwas detaillierter erläutert zu bekommen, endeten bestenfalls mit vagen Andeutungen. Kallnik sagt, die Entscheidung sei notwendig, um den Verein vor der Insolvenz und dem Verlust der Gemeinnützigkeit zu schützen. „Einnahmen und Ausgaben müssen ausbalanciert werden“, so der Sport- und Finanzverantwortliche. Auf der Mitgliederversammlung am 5. November solle die Ausgründung ausführlich erörtert werden. Für den FCM-Fan bliebe „alles beim Alten“, beruhigt der Chef des Aufsichtsrates, Lutz Petermann. Eine Entscheidung stehe auf der kommenden Mitgliederversammlung ohnehin nicht an, denn die Satzung würde „kein Votum der Mitglieder für einen solchen Schritt“ benötigen. FCM-Präsident Peter Fechner und auch jüngst Trainer Jens Härtel nannten die Ausgründung „alternativlos“. „Diese Formulierung kam bei den Fans überhaupt nicht gut an“, sagt Jens Janeck, Betreuer im Fanprojekt Magdeburg. Es sei nötig, die Mitglieder in solche wichtigen Entscheidungen mitzunehmen, sie einzubeziehen. „Wir hoffen, dass dies bald passiert“, so Janeck. Denn so ganz geheuer ist vielen Fans das Vorgehen in Sachen Ausgründung der Profiabteilung nicht. Nimmt man die Vereinsführung beim Wort, stünde es ohne Ausgründung überhaupt nicht gut um den Club: Die Gemeinnützigkeit wäre gefährdet, Insolvenzgefahr bestehe und Einnahmen und Ausgaben wären nicht ausbalanciert. Zu verstehen ist das angesichts des bislang erfolgreichen Abschneidens des FCM in der 3. Liga und der sensationellen Zuschauerzahlen im Stadion nicht. Doch in der Tat: Es ist so. „Es gibt eine Schieflage beim FCM, der schnell entgegengesteuert werden muss“, sagt Rechtsexperte Tobias Ellrott. Der vom FCM unabhängige Rechtsanwalt führt in Magdeburg eine Steuerkanzlei. Für die Volksstimme nahm er die öffentlich bekannte Struktur des „Unternehmens“ FCM in Augenschein. „Die Einnahmen sind überwiegend bei der SSG GmbH angesiedelt, die Ausgaben dagegen beim Verein. Das macht nicht nur wirtschaftlich keinen Sinn, weil es mit hohen Steuerabgaben verbunden ist. Es gefährdet auch den Status der Gemeinnützigkeit und die Rechtsfähigkeit des Vereins“, erklärt der Rechtsanwalt. Um zu verstehen, was Ellrott meint, ist zunächst ein Blick zurück notwendig: Was ist eigentlich die SSG? Und warum bekommt diese GmbH die Einnahmen des FCM und nicht der Verein selbst? Nachdem die Stadt 2006 das Stadion gebaut hatte, sollte die SSG ab 2007 als Gesellschaft des FCM mit dem Bauunternehmen HochTief gemeinsam die Vermarktung des Stadions übernehmen. Doch das gelang eher schlecht. Es wurden Schulden angehäuft. Seit 2011 ist das Stadion der städtischen Messe- und Verwaltungsgesellschaft MVGM unterstellt. Die SSG GmbH des FCM kümmert sich seither nur um die Fußball-Vermarktung. Alles andere ist Sache der MVGM. Die SSG bekommt die Einnahmen aus dem Ticketverkauf, bekommt Geld von Sponsoren, bezahlt die Stadionmiete an die Stadt und überweist dem Verein ihren Gewinn. Der Verein selbst erhält als direkte Einnahmen daneben noch die Beiträge seiner Mitglieder, bekommt Spenden und als DFB-Lizenzinhaber die TV-Gelder für Spielübertragungen. Der Verein hat auch viele Unkosten: Der größte Brocken sind die Personalkosten, vor allem die Spieler-Gehälter. Er bezahlt auch die Polizei, die Spielbetriebskosten (Gema, Verband, Schiedsrichter) oder den Sicherheitsdienst im Stadion, um nur einige Beispiele zu nennen. Vergleicht man die wirtschaftliche Situation beim FCM im Oktober 2014 mit heute, ergeben sich große Unterschiede. Thema Schulden: Im November 2014 hatten laut Angaben in der Mitgliederversammlung der Verein 112 000 Euro und die SSG GmbH 207 000 Euro Restschulden. Verein und SSG sind nach Vereinsangaben inzwischen schuldenfrei. Thema TV-Gelder: In der vierten Liga bekam der Verein 2014 pro Saison etwa 10 000 Euro. In der dritten Liga sind es aktuell etwa 800 000 Euro. Das größte Einnahmeplus dürfte über den Ticket-Verkauf im Stadion erfolgt sein. Noch vor einem Jahr lag der durchschnittliche Besucherschnitt bei 8000. Ende September waren es im Durchschnitt der neuen Saison knapp 17 000. Zu der genauen Einnahmenhöhe macht der Verein keine Angaben, aber die dürften sich mehr als verdoppelt haben. Denn 2014 war der Anteil an Dauerkarten und preiswerten Stehplatzkarten deutlicher höher als in der laufenden Saison, in der auch die teuren Plätze verkauft wurden. Die Ausgaben stiegen ebenfalls – angefangen vom Sicherheitsdienst im Stadion bis zu den Spieler-Gehältern nach dem Aufstieg. Das Problem ist nur: Die Ausgaben sind bislang vor allem beim Verein angesiedelt, die Einnahmen bei der SSG GmbH. Und das ist ein Problem. Rechtsanwalt Tobias Ellrott erklärt das so. „Eine gewinnorientierte GmbH und ein gemeinnütziger Verein sind zwei grundverschiedene Einrichtungen. Wenn die GmbH zu hohe Gewinne einfährt, weil ihre Kosten zu niedrig sind, und diese Gewinne dem Verein überweist, hätte das weitreichende Folgen.“ Würde der Verein Gewinne anhäufen, wäre sein Status der Gemeinnützigkeit gefährdet. Beim gemeinnützigen Verein gilt der Grundsatz: Er darf nur so viel Geld einnehmen, wie er ausgibt. Verbleibt aber zu viel Gewinn bei der SSG, steigt ihr Steueraufkommen. „Dann wird das Finanzamt zum größten FCM-Fan“, scherzt Ellrott. Wenn nun die FCM-Führung ankündigt, die Profiabteilung ausgründen zu wollen, sollen damit vor allem der größte Kostenverursacher des Vereins – die Spielerverträge – zur SSG ausgegliedert werden. Das Ausbalancieren von Einnahmen und Ausgaben, von dem Kallnik spricht, ist damit gemeint. Wichtiger Nebeneffekt: „Wird der Lizenzspielerbetrieb in der GmbH angesiedelt, schützt das den Verein vor Insolvenz“, so der Anwalt. Denn die GmbH haftet nur mit ihrem eingetragenen Stammkapital. Der Verein als solcher bliebe von einer Insolvenz unberührt. Die Optimierung der Finanzströme innerhalb der „Firma“ FCM mag für die Fans nachvollziehbar sein. Beim Thema „Ausgründung der Profiabteilung“ denken einige aber auch an die Möglichkeit des Verkaufs von Gesellschafteranteilen, um Kapital zu erschließen – auf Kosten der Mitbestimmung der Vereinsmitglieder. Fan-Betreuer Jens Janeck: „Die Gefahr ist real. Das Beispiel Hansa Rostock zeigt doch gerade, wie sich der Anteilseigner Elgeti in den Personalstreit der Vereinsführung aktiv einmischt. So etwas will hier keiner haben.“ „Das ist definitiv nicht unsere Motivation in der angestrebten Neuordnung“, beteuert Sportchef Mario Kallnik. Er versichert: „Der Verein wird zu 100 Prozent Zugriff auf die SSG behalten.“ Rechtsanwalt Tobias Ellrott glaubt Kallnik: „Sonst würde der Verein die GmbH in eine GmbH & Co. KG umwandeln wollen.“ Bei einer Kommanditgesellschaft (KG) haften die Mitglieder nur für die Anteile, die sie in die Gesellschaft einbringen. Das mache diese Gesellschaftsform für Anleger attraktiv. Auch die Profiausgründung bei Hansa Rostock ist eine KG. Ellrott: „Das kann man sich gut merken: Die Kommanditisten sind die mit den Kisten.“ Und Leute „mit Kisten“ sind beim FCM aktuell nicht im Gespräch. Zumindest nicht öffentlich. |
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