Autor: Klaus Renner & Thomas Juschus
Der Fußball-Regionalliga Nordost droht nach der Insolvenz des VFC Plauen und deren Folgen eine wochenlange Hängepartie. Vor allem der Kampf um die Meisterschaft leidet unter Rechtsunsicherheit. NOFV-Präsident Rainer Milkoreit schweigt. Der 1. FC Magdeburg gibt sich erstaunlich gelassen.

Magdeburg l Klaus Siemon zeigte sich aufgeräumt und gesprächig. Kein Wunder. Zuvor hatte der Insolvenzverwalter des VFC Plauen dem Nordostdeutschen Fußball-Verband (NOFV) eine schmerzliche Niederlage zugefügt. Laut einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Berlin vom Donnerstag müssen die Spiele der Vogtländer in der Regionalliga bis zur Klärung in der Hauptsache wieder gewertet werden.

Mitte Februar hatte sich der NOFV in einem Präsidiumsbeschluss gegen eine Wertung der Partien mit VFC-Beteiligung ausgesprochen und auf die DFB-Spielordnung verwiesen (siehe Chronologie), gleichzeitig damit aber auch einen mit Siemon Ende Januar geschlossenen Vergleich einseitig ausgehebelt. Hier hatte zunächst der NOFV nach Klageandrohnung von Siemon seine Spielordnung umgangen und dem Insolvenzverwalter die Tür für eine Klage geöffnet. Das Chaos nahm seinen Anfang – ein Ende ist nicht in Sicht.

NOFV-Präsident Rainer Milkoreit wollte sich nicht zur neuesten Wendung im Fall äußern. „Es ist ein schwebendes Verfahren“, sagte der Sportfunktionär und verwies darauf, dass die einstweilige Verfügung bis Freitagmittag nicht zugestellt gewesen sei. Der Volksstimme liegt sie vor. Das dürfte jedoch spätestens am Montag soweit sein – und dann der Streit in die nächste Runde gehen. „Wir überlegen, ob wir gegen die einstweilige Verfügung Rechtsmittel einlegen werden“, sagte NOFV-Vizepräsident Erwin Bugar. Gleichzeitig verwies der Rechtsanwalt aus Burg auf die Verbands-Autonomie: „Wenn das Schule macht, wird künftig nicht mehr nach den Regeln des Sports, sondern nach dem Bürgerlichen und dem Strafgesetzbuch gespielt. Es droht ein unendlich langer Rechtsstreit. Die Insolvenz des VFC Plauen soll auf dem Rücken des NOFV und der Regionalligavereine ausgetragen werden.“

Auf jeden Fall droht der 4. Liga eine Hängepartie. Nach dem ersten Etappensieg will Insolvenzverwalter Siemon als nächstes die Zwangsabstiegsregelung der Spielordnung kippen, sagte er am Freitag. Siemon (56), der seit zwei Jahrzehnten im In- solvenzrecht arbeitet und zahlreiche Entscheidungen von Bundesgerichten herbeigeführt hat, rechnet aus seiner Erfahrung nicht mit einer Entscheidung in der Hauptsache vor Ende Juni. „Und das wird knapp. Die Beteiligten sollten sich deshalb darauf einstellen, dass die Spiele gewertet werden“, sagte Siemon am Freitag.

Der 1. FC Magdeburg, der aufgrund der Verfügung die Tabellenführung einbüßte, zeigte sich am Freitag sehr besonnen und verwies wie zuvor auf die DFB-Spielordnung. „Für uns gibt es keinen Anlass zu reagieren, weil wir nicht unmittelbar von der Einstweiligen Verfügung betroffen sind“, sagte FCM-Präsidiumsmitglied Hagen Hoffmann. Der Rechtsanwalt befürchtet aber „einen Rechtsstreit über mehrere Ins-tanzen“ und gesteht: „Mich nervt die fehlende Rechtssicherheit für die Vereine und den NOFV. Was hat Vorrang: das Insolvenzrecht oder die verfassungsrechtlich geschützte Verbands-Autonomie?“

Germania Halberstadt profitiert zwar von der neuesten Wendung im Fall Plauen und hat einen Punkt mehr, Präsident Olaf Herbst sieht die Regionalliga aber ebenfalls vor unruhigen Wochen. Herbst: „Die Situation ist nicht gut für den Fußball.“

Die Chronologie im Fall VFC Plauen
30. September 2014: Fußball-Viertligist VFC Plauen bestätigt erstmals finanzielle Probleme.
1. Dezember 2014: Dagmar Baumgärtel, seit wenigen Tagen neue Präsidentin des Vereins, muss für den VFC Plauen beim Amtsgericht Chemnitz Insolvenz anmelden. Der Kölner Fachanwalt Klaus Siemon (56 Jahre) wird kurz darauf zum Insolvenzverwalter bestellt.
23. Dezember 2014: Der sportliche Exodus beginnt. Trainer Michael Hiemisch verlässt die Vogtländer. Ein Dutzend Spieler werden ihm in den nächsten Wochen folgen.
1. Januar 2015: Beim Amtsgericht Chemnitz wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Laut Regularien des Nordostdeutschen Fußball-Verbandes (NOFV) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) steht der Verein damit als erster Absteiger fest. Insolvenzverwalter Siemon kündigt rechtliche Schritte gegen diese Regelung an.
26. Januar 2015: Das NOFV-Präsidium schließt in Rangsdorf mit Siemon einen Vergleich. Laut NOFV-Präsident Rainer Milkoreit steht Plauen als erster Absteiger fest, darf aber weiter am Punktspielbetrieb teilnehmen. Entgegen der Satzung behält Plauen auch seine Punkte. Im Gegenzug will Siemon auf rechtliche Schritte gegen den NOFV verzichten.
30. Januar 2015: Auf der Staffeltagung in Halberstadt erntet der NOFV heftigen Gegenwind für seine Entscheidung. Zwölf von 16 Vereinen sprechen sich gegen einen Verbleib des VFC Plauen in der Wertung aus.
20. Februar 2015: Das NOFV-Präsidium kippt seinen ersten Beschluss und beugt sich dem Druck der Vereine. Plauen muss absteigen, die Spiele werden nicht gewertet. Der VFC darf aber sogenannte Pflichtfreundschaftsspiele austragen.
26. Februar 2015: Der 1. FC Magdeburg verliert am Grünen Tisch die Tabellenführung. Das Landgericht Berlin erlässt eine einstweilige Verfügung, nach der die Spiele des VFC Plauen bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu werten sind.

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